Hallo erstmal. Ich fasse jetzt mal den Mut, hier den ersten Satz unter diese Überschrift zu setzen. Ich bin übrigens Luise, 16 Jahre alt, geboren in Deutschland, aufgewachsen in Deutschland, wohnhaft in Deutschland. Ich befinde mich gerade mit einem asiatischen Laptop und in Bangladesch hergestellten Klamotten auf meinem deutschen Balkon. Der Nagellack auf meinen Fingernägeln kommt sicher nicht aus Deutschland, sondern aus irgendeinem fremden, armen Land. Keine Ahnung wo der hergestellt wurde, im Internet finde ich nur Informationen dazu, wo ich den günstigsten oder besten Lack her bekomme, aber nicht wo er herkommt.
Ist auch egal.
Auf was ich hinaus will ist, dass das Einzige, was made in Germany ist und mich täglich wärmt, meine Haut ist.
Und trotzdem habe ich in diesem reichen weißen Land den Luxus, eine Krankenversicherung zu haben. Und ein scheinbar funktionierendes Gesundheits- und Demokratiesystem.
Was kann mir schon Corona? Was kann uns schon Corona?
Junge, gesunde, privilegierte, in Deutschland lebende Snobs. Wir sind in der Safe-Zone. Oder nicht? please disagree.
Hey, ich weiß nicht ob ich mich auch vorstellen soll, aber egal ich mache es trotzdem. Ich bin Emma, 18 Jahre alt, geboren in USA und wohne jetzt seit 13 Jahren in Deutschland. Bin in drei Länder aufgewachsen und spreche auch dabei drei Sprachen. Mein Weg hört aber nicht da auf, sondern ich lerne nächstes Jahr italienisch und zwei Jahre später russisch. Ich bleibe nicht nur in einem Land stecken und ich habe nicht nur eine Heimat, sondern mehrere auf der ganzen Welt.
Dabei sehe ich auch die unterschiedlichen Lebensstile und wie gut man in Deutschland leben kann. Hier ist alles sicherer und mehr oder weniger unter Kontrolle. Wir haben noch die Chance rauszugehen und die Sonne zu genießen, das ist das Beste, was man jetzt kriegen kann. Ein Großteil meiner Familie lebt noch in Amerika und sie leben nicht so gut wie wir. Das Gesundheitssystem ist eine Katastrophe und die Menschen werden dabei nicht berücksichtigt, egal wie schlecht es denen geht. Meine Familie in Amerika ist zuhause eingeschlossen, da sie jetzt absolutes Verbot haben rauszugehen. Wir sind hier und jammern rum, wie schlecht es ist, seine Freunde nicht zu sehen, während die nicht mal die Chance haben, frische Luft zu bekommen. Ich meine nur, dass Luise vollkommen Recht hat. “Junge, gesunde und privilegierte Snobs”, Wie haben noch so viele Möglichkeiten und Optionen, ich glaube, es ist den meisten Menschen nicht bewusst.
Die meisten kennen mich unter meinem ersten Namen, Danica, gesprochen Danika, geschrieben wie Annika mit c und einem n. Viele machen das am Anfang falsch. Manche kennen mich auch als Fiona, was ich eigentlich lieber mag. Weniger Erklärungen, Fragen, Kommentare. Fiona, die Strahlende, die Reine, von dem gälischen Wort fionn, übersetzbar mit hell, blond, weiß. So viel Wissen ich auch über diesen Namen habe, ich weiß nicht, wer ich genau bin. Ich weiß nicht, wer ich sein will. Ich weiß nur, dass ich nicht über Corona schreiben will. Ein wichtiges Thema, allgegenwärtig. Zu allgegenwärtig? Ich weiß es nicht. Es verdrängt. Es verdrängt andere Dinge, andere wichtige Dinge. Dinge, die auch die ganze Welt betreffen. Ich scrolle mit meinem Handy durch die Nachrichten. Corona, überall. Passanten, Gespräche, Gefühle, Lebensmittel, Klopapier, Nachrichten. Alles berührt, infiziert von Corona, von dem Gedanken. Dieser Text. Mein Google-Verlauf. Sozialleben. Durchtränkt, überflutet, wie Regen, der auf die Erde tropft. Wie eine Thermoskanne voll Kakao, die über einem Ordner ausläuft. Wie der Geruch alter Bücher, die lange Zeit im Keller standen, nach langem Hin und Her, anschließend doch, trotz winzigen dunklen Schimmelflecken, hoch in die Wohnung, in ein Regal, vielleicht ein neues Regal oder eine neue Wohnung oder gar beides, geholt wurden und nun ihren alten, muffigen, feuchten Kellergeruch in den Räumen verteilen, ihn an andere Bücher weitergebe, bis man ihm nicht mehr entrinnen kann. Wie Feuer in Wäldern, Rauch in der Lunge.
Und mittendrin, die Welt.
Australien. Korallenbleiche, das Wasser zu warm. Die Abstände zwischen den Bleichen immer kürzer werdend. Sie können sich nicht mehr erholen, verlieren Farbe, werden zu weißen Gerippen, Knochen. Weiß, immer mehr weiß, wie manches Bettlaken, Krankenhauszimmer, weiß wie ein Leichentuch. Wie ein Toter. Wie das Gesicht eines Jemand, dem ein Gespenst über den Weg gelaufen ist. Ist der Tod weiß? Ist das Leben schwarz? Sind wir grau? Ein Pendel zwischen den farblosen Farben. Mal dort, mal dort. Erst schwarz, dann weiß? Oder alles auf einmal? Weiß. Weiß wie fionn, fionn wie Fiona, Fiona wie strahlend, wie der Morgenstern in Danica. Wie ich. Ich wie, ich weiß nicht. Wie strahlendes Dunkel. Hell strahlendes Dunkel. Wer bin ich? Wer sind wir? Was tue ich, tuen wir? Während die Einen in weißen Zimmern gegen weiße Laken um weiße, kalte, steife Körper kämpfen oder dafür sorgen, dass es neben Nudeln und anderem wieder weißes Klopapier zu kaufen gibt oder hilflos bunte Meere beim Weißwerden beobachten, sitzen andere zuhause. Wenn sie eines haben. Sitzen draußen. Solidarisch. Ignorant. Alleine. In Gruppen. Bunt und weiß zugleich. Weiß weitergebend.
Weiß lässt sich in alle Farben spalten. Aber nur Licht. Mit einem Prisma, einem Sonnenfänger. Wie der, der in meinem Fenster hängt, morgens das Sonnenlicht spaltet und bunte Lichtflecken an die weißen Wände malt. Einem Farbe in dieser von weiß dominierten Welt gibt und davon abhält, trotz seines eigenen Leuchtens in Dunkelheit zu versinken. Einem, wenn vielleicht auch nur für zwei Stunden, wie eine Phiole voll Elbenlicht am Herzen eines Hobbits in der Dunkelheit den Weg zeigen kann. Weiß und schwarz gehören zusammen. Reflektierend. Absorbierend. Hell und leer, dunkel und… ich weiß nicht. Voll? Leer?
Ungewiss.
Ich weiß nicht, wer ich bin. Ich weiß nicht, wer ich sein will, werde. Ich weiß nur, dass ich nicht über Corona schreiben will. Ein wichtiges Thema, allgegenwärtig.
Und doch habe ich es getan.
Zu allgegenwärtig?
Alles von weiß berührt, infiziert.
Ich weiß es nicht.
Bunt ist-
Es ist-
ungewiss.
von Luise, Emma und Danica (Fiona), Kurs Literatur und Theater Jahrgangsstufe 1