Ein Begriff, der dem einen den Schlaf rettet und dem anderen die Ohren bluten lässt. Man hört es immer und überall. Aber handelt es sich beim Homeschooling um Fluch oder Segen? Lässt es sich Zuhause im stillen Kämmerlein besser lernen, als im von kaltem Licht beleuchteten Klassenzimmer?
So steril die Einrichtung manchmal auch wirken mag, die Ansteckungsgefahr ist im Klassenzimmer leider zu hoch, die Lösung: Zuhause bleiben! Zumindest sehen das die Politiker so. Aber kann man sagen, dass das eine Lösung ist?
Erstmal fragen wir uns, welches Problem überhaupt gelöst wird. Es ist eigentlich klar: Corona. Mit etwas mehr Worten gesagt: Die Ansteckung von Schülern bei anderen Schülern, welche positiv auf Covid-19 (wie der Pro sagt) getestet wurden. So. Diese Ansteckungsgefahr will man also minimieren. Oder besser ganz bändigen. Da muss man sagen: Good job, dieses Problem wurde gelöst. Aber stellt sich nur die Frage, auf welche Art und wie effizient?
Wir haben es selbst gemerkt in den letzten Wochen. Jeden Tag wurden wir zugebombt von unseren Lehrern mit Materialien und Arbeitsaufträgen. Von YouTube-Videos bis zu Reclamheften. Und unsere fleißigen Lehrerchen lassen sich täglich neue Methoden einfallen, mit denen sie ihre Schüler motivieren können. “Ihr lernt für euer Leben” “Chemie ist doch so so wichtig” “Und außerdem ist das alles klausurrelevant”! Jaja. Das haben wir alle schon gehört. Und was ist mit dem, was wir lernen wenn wir keine Chemiearbeitsblätter machen? Lernen wir nichts, wenn wir mit den großen Bruder zusammen einen neuen Schrank bauen oder wenn wir die ARD Mediathek durchsuchten?
Manchmal wirkt es als wären die Aufgaben in Mathe, in denen es um sinus oder cosinus geht eine reine Konzentrationsübung. Das brauchen wir nie wieder. Alles was wir bei diesen Aufgaben langfristig behalten, ist eventuell eine gesteigerte Konzentrationsspanne und die feste Gewissheit, dass wir in diesem Leben wohl lieber kein Chemie studieren sollten. Ja, das ist beides viel Wert. Aber wenn wir täglich eine Stunde Zeitung lesen, müssen wir uns auch konzentrieren und lernen dabei sogar etwas, was vielleicht nicht nur für eine Klausur relevant sein könnte. Wir medienabhängigen, handybesessenen Freaks haben anscheinend eine Konzentrationsspanne wie ein Goldfisch in seinem Glas, aber uns vor den PC zu zwingen um Lückentexte über Reden von Politikern von monday 10 october 2011 auszufüllen hilft da dann auch nicht mehr. Lückentexte waren schon ohne Home Schooling schmerzhaft genug (no front).
Also gut, was bringt es uns dann? Dann können wir es ja gleich bleiben lassen mit dem Home schooling, oder was?
Ja moment mal. Manche Sachen machen ja tatsächlich Sinn. Zum Beispiel ein Auftrag, bei dem es darum geht, ein Buch zu lesen. Lesen ist zwar für so manch einen so oldschool wie Merkels Sicht auf das Internet, aber es ist doch ab und zu eine willkommene Abwechslung zu World of Warcraft.
Okay für manche zumindest. Glaube ich. Egal.
Aber da lernt man doch tatsächlich noch was. Zum Beispiel sich auf nur eine einzige Sache zu konzentrieren. Man kann überschauen wie lang es noch dauern wird diesen ganzen Haufen Buchstaben in sich reinzufressen im Gegensatz zu dem Arbeitsauftrag in Physik bei dem man von Anfang an wirklich gar nichts schnallt.
Und dann kommen natürlich auch noch diese ganzen Zoom-Meetings. Ja, es ist ganz toll sich auch mal unterhalten zu können, aber eigentlich versucht doch jeder nur, den Laptop so hinzustellen, dass man das Chaos im Hintergrund nicht zu stark bemerkt. Und wenn 8 von 12 Teilnehmern essen, dann springt dieser verdammte gelbe Kasten schneller von Person zu Person, als das Virus wegen dem wir hier alle rumsitzen.
Das einzig erfreuliche ist, wenn mal wieder bei jemandem die Katze durchs Bild läuft und von überall ein schrilles “Oiiii” zu hören ist. Same thing mit dem gelben Kasten by the way.
Aber genug von der Rummeckerei. Wir wollen schließlich beim Thema bleiben. Genau so wie in den Meetings, bei denen man dann aber doch immer wieder abschweift, weil die eigentliche Leitfrage der Besprechung nicht “Was bedeutet Schuld und Vergebung in unserer Religion und Gesellschaft?” ist, sondern “Seid ihr auch so am Arsch wie ich und wie viel habt ihr schon für Bio gemacht?” lautet.
Theoretisch haben wir jetzt Ferien und theoretisch habe ich natürlich längst alles fertig für die Schule. Praktisch habe ich jegliche Naturwissenschaftsarbeit bis zum heutigen Tag aufgeschoben und werde das auch weiter so tun (hat sich schließlich bewährt), während ich an meinem Rechner sitze und gleichzeitig eine Artikel für eine plötzlich erschienene Schülerzeitung schreibe, die wahrscheinlich von 13/250 aller Schüler gelesen wird, wenn man mit 500 Schülern, 26 Klassen und einem pro Schulklasse rechnet, was 5,2 % ausmacht, wenn ich richtig gerechnet habe, was ich nicht weiß, weil auf Prozentrechnung nicht so ein großer Fokus liegt wie auf dem Integrieren einer e(x)-Funktion und versuche eine Ukulele über das Internet zu verkaufen (bei Interesse gerne melden).
Bitte bringt uns Prozentrechnen bei und bitte bringt uns bei unsere Steuern zu machen und schlau genug zu werden, um zu verstehen warum Hamsterkauf so viel mit Solidarität zu tun hat, wie Shakespeare mit dem Anbau von afrikanischen Maniokwurzeln. Gar nichts. Amen.
Luise H. Otto, 08.04.20, Markdorf, Kurs Literatur und Theater Jahrgangsstufe 1