Das Voltaire-Programm ist ein einjähriges Austauschprogramm für deutsche und französische Schülerinnen und Schüler. Du bist in der 8., 9. oder 10. Klasse und möchtest gerne ein halbes Jahr in Frankreich verbringen?
Dann mach es wie Ida Metzger, die ein halbes Jahr in Lauris, einem kleinen Ort zwischen Avignon und Aix-en-Provence bei ihrer Austauschpartnerin Lilou verbrachte. Hier ist ihr Bericht:
mein Name ist Ida Metzger und ich bin 16 Jahre alt. Ich besuche momentan die 10. Klasse des Droste-Hülshoff-Gymnasiums in Meersburg.
Kurz vor den Sommerferien 2021 habe ich mich dazu entschieden einen 6-monatigen Austausch mit einem französischen Mädchen zu machen. Ich habe also auf der Seite des „Deutsch-Französischen Jugendwerks“ eine Kontaktanzeige veröffentlicht und habe dann auch, schneller als erwartet, Lilou (meine Austauschpartnerin) gefunden. Ihre Antwort war mir sympathisch und es schien, als hätten wir relativ ähnliche Interessen. Durch meinen kurzfristigen Entschluss war die Organisation dann ein bisschen hektisch, da wir planten, dass sie schon Ende der Sommerferien anreisen würde. Im Endeffekt hat dann aber alles geklappt.
Auch wenn wir schon davor ein bisschen geschrieben hatten und auch zusammen mit unseren Eltern skypten war bei uns beiden die Angst da, dass die jeweils andere Familie vielleicht nicht zu uns passen könnte oder komisch sein werde. Als Lilou dann aber mit ihren Eltern anreiste haben wir beide uns gleich super verstanden und unsere Eltern auch.
In den darauffolgenden zwei Tagen haben wir der Familie ein bisschen die Gegend gezeigt. Wir waren mit ihnen in Meersburg, haben Konstanz besucht und sind auf den Gehrenbergturm gestiegen.
Als das Wochenende vorbei war, sind ihre Eltern wieder abgereist und für Lilou und mich kam der erste gemeinsame Schultag nach den Sommerferien. Sie hat die Lehrer und meine Klasse kennengelernt und sich schnell wohlgefühlt. Die folgenden sechs Monate waren wir dann zusammen in der Schule, haben uns mit Freunden getroffen und Ausflüge gemacht. Auch Weihnachten, Skifahren und die Fasnet konnte sie noch in Deutschland miterleben, wenn auch ein bisschen eingeschränkter, wegen den Coronabeschränkungen.
In den Fasnetsferien ist meine Familie dann mit Lilou und mir nach Südfrankreich in die Provence gefahren. Dort haben Lilous Eltern uns die Region gezeigt, die wunderschön ist, mit ihren alten Städten und fassettenreichen Landschaften. Da wir vor Ort ebenfalls noch eine Woche Ferien hatten, haben wir mit meinen Eltern ein paar Tage Arles und die Umgebung besichtigt. Am Montag, den siebten März, bin ich dann zum ersten Mal in die Schule gegangen. Mein Dorf „Lauris“ ist ca. 45 Minuten von der Schule („Lycée-Ismaël-Dauphin“) in „Cavaillon“ entfernt. Lilou ist unter der Woche im Internat, was bedeutet, dass wir mit unseren Koffern Montag morgens und Freitag nachmittags den Bus nehmen mussten.
Das Lycée geht von den Klassen zehn bis J2 (Seconde bis Terminale), trotzdem gab es pro Stufe mindestens zehn Klassen mit jeweils mindestens 30 Schülern. Da jeder aber seine eigenen Kurse besuchte, hatte man mit dieser Klasse nur wenige Stunden Philosophie und Geschichte-Erdkunde zusammen. Diese hohe Anzahl an Schülern war für mich am Anfang überwältigend. Vor allem, wenn alle nach dem Unterricht auf die Gänge strömten und du dich kaum mehr bewegen konntest. Das war ich gar nicht gewohnt von dem geradezu familiären DHG.
Im Unterricht selber war es für mich besonders anfangs schwer, diesem zu folgen. Lilou ist älter als ich und besuchte daher schon die J2 (Terminale) und deswegen waren vor allem Fächer wie Physik-Chemie und Mathematik schon zu schwer für mich. Trotzdem gab es auch für mich interessante Fächer wie Geschichte-Erdkunde und SVT (Biologie und Geologie). Gegen Ende des Schuljahres kamen dann die Vorbereitungen auf das Abitur (le Bac) und „le grand oral“ und somit hatten Lilou und ich im Unterricht nicht mehr so viel zu tun.
Allgemein war für mich die Schule in Frankreich sehr fremd und teilweise ermüdend.
Hier in Frankreich dauert ein Tag oft von 8 Uhr bis 18 Uhr. Dazwischen gibt es auch Freistunden, abhängig welche Hauptfächer und Optionen man gewählt hat. Eine Schulstunde hier dauert anders wie in Deutschland 55 Minuten, was echt lang sein kann und dabei schwindet oft die Konzentration.
Zu diesem vollen Stundenplan sind dann aber noch nicht die Massen an Hausaufgaben und die vielen Tests und Arbeiten hinzugerechnet.
Nach dem langen und erschöpfenden Tag öffnete dann endlich das Internat um 18 Uhr. Wir hatten dann eine Stunde Freizeit, in denen wir gerade mal Zeit hatten, um uns fürs Essen zu richten und sich noch kurz mit den anderen aus dem Internat zu treffen. Um 19 Uhr mussten wir dann für das Abendessen unten in der Kantine sein und wenn dann alle mit dem Essen fertig waren, gingen wir zusammen bis 20 Uhr auf den Hof oder bei schlechtem Wetter in die Cafeteria. Um 20 Uhr ging es dann hoch auf die Zimmer, um unsere Sachen zu packen, die wir für „les Études“ brauchten. Das ist 90 Minuten Arbeiten in zwei Räumen: Mädchen, Jungs getrennt und einem Raum mit Computern. Pflichtprogramm war das leise Arbeiten, oder wenn man nichts zu tun hatte, konnte man auch ein Buch lesen. Die Handys mussten zu Beginn in eine Box gelegt werden und blieben dort bis zum Ende.
Um 21 Uhr 30 war dann die offizielle Lernstunde vorbei und wir hatten noch 30 Minuten um uns bettfertig zu machen. Ab 22 Uhr sollten dann unsere Lichter ausgeschaltet sein, was aber nicht immer kontrolliert wurde.
Während dieses ganzen Tagesablaufes, nicht nur im Internat, sondern auch in der Schule waren dauerhaft Schulbegleiter (Surveillants oder CPE) da, die auf uns aufgepasst haben und während der Lernstunde für Ruhe sorgten. In der Schule standen meistens zwei an der Eingangspforte, wenn diese sich zur Pause hin geöffnet hat und auch im Internat gab es meistens zwei Surveillants, meist ein Mann und eine Frau, die sich um uns gekümmert haben.
Unter dieser in Normenkontrolle und dem strikten Tagesablauf habe ich mich schnell erdrückt gefühlt. Auch mein Verständnis von Verantwortung und Selbstbestimmung wurde hier angekratzt, da man überall streng beaufsichtigt wurde und kaum Freiraum hatte.
Trotzdem war die Zeit in der Schule schön, da ich viele nette Leute kennen gelernt habe und auch am Wochenende konnte ich mich mit der Familie gut erholen und wir haben Ausflüge in die umliegenden Dörfer gemacht. Ich bin trotz der Strenge im Internat froh, dass ich diese Erfahrungen machen durfte. Es war einfach eine völlig fremde Situation für mich und im Nachhinein weiß ich dadurch das deutsche Schulsystem um so mehr zu schätzen.
Meine ganze Familie hat versucht, dass ich so viel wie möglich in Frankreich erlebe und auch sehe. Wir haben viele Ausflüge gemacht, wie zum Beispiel nach Paris, in die Bourgogne nach Marseille, Avignon und Aix-en-Provence. Ich habe das mediterrane Essen genossen und auch viele verschiedenen „Gâteaux“ aus den Patisserien probiert.
Da ich bis Mitte August bei meiner Gastfamilie geblieben bin, habe ich den Sommer in Frankreich verbracht. Wir waren am Meer baden, haben Ausflüge gemacht, waren beim Segeln und haben die Region erkundet. Oft konnte man tagsüber gar nicht aus dem Haus gehen, da es viel zu heiß war. Dann haben wir viele Filme auf französisch geschaut und waren oft im Kino. Auch dies hat mir beim Lernen der Sprache geholfen.
Rückblickend kann ich sagen, dass ich mich auf jeden Fall wieder für diese Art des Austauschs entscheiden würde und ich kann so einen Austausch auch jedem weiterempfehlen. Nicht nur wegen der Sprache, sondern auch hinsichtlich der kulturellen Erfahrungen.
Anfangs dachte ich, dass sechs Monate eine lange Zeit ist, aber schlussendlich geht diese viel zu schnell vorbei.
Ich in meinem Fall hatte sehr Glück mit meiner Austauschpartnerin und der Gastfamilie, die mir diese schöne Zeit ermöglicht haben.
Ich habe viele neue Erfahrungen gemacht, neue Ort entdeckt, Leute kennengelernt und auch über mich selber viel erfahren. Ich habe begriffen, wie wichtig mir meine Familie und Freunde in Deutschland sind, habe jetzt aber auch eine zweite Familie in Frankreich und auch hier neue Freunde kennengelernt. Nach der langen Zeit im Homeschooling und den Corona bedingten Einschränkungen, habe ich mich ein bisschen orientierungslos gefühlt und kann jetzt sagen, dass diese Reise mich weitergebracht hat, hinsichtlich meiner Pläne, Wünsche und Ziele.
Ich bin stolz auf mich, dass ich mich so etwas getraut habe und sehr dankbar, dass meine Eltern mir dies ermöglicht haben.
Ida Metzger
P.S. Weitere Informationen zu den Austauschprogrammen nach Frankreich oder weltweit könnt Ihr bei Frau Walle bekommen.