- Sich unternehmerisch verwirklichen.
- Seine und andere politische Interessen vertreten.
- Kreativ sein.
- Wirtschaftliche und politische Phänomene am eigenen Leib erfahren.
Vielleicht haben Sie bereits von diesem in den neunziger Jahren aufgekommenen Projekt gehört. Wir interpretierten es an unserer Schule auf unsere Weise völlig neu.
Das Droste-Hülshoff- Gymnasium in Meersburg verwandelte sich vom 20. bis zum 23. Juli 2011 in eine von Schülern und Lehrern gleichberechtigt bewohnte parlamentarische Monarchie: „Semipolis“.
Unser König hielt sich nicht besonders lange. Das staatliche Fernsehen („Staatsfernsehen“) dokumentierte seine Entmachtung. Wohl hielt sich aber die Begeisterung fast aller Schüler für das außergewöhnliche Projekt bis zum letzten (Sams-)Tag.
In dem von uns Schülern selbstständig organisierten fiktiven Modellstaat zirkulierte eine ausschließlich digital angelegte Währung, der Drosti. Jeder Schüler erhielt einen Ausweis mit Bild und Identifikationsnummer. Steuern wurden automatisch und elektronisch eingezogen. Ein Modellversuch: Kann ein Staat auschließlich digital organisiert sein? Zumindest unser Finanzsystem hielt allen Gefahren stand: Weder kam es zu Inflation, Krise oder größerem Zahlungsbetrug.
Auch Parlament, Polizei und Zollbeamte halfen dabei den Semipolitanern (von Natur aus sehr arbeitswillig), möglichst viel Gestaltungsmöglichkeiten in Sachen Politik und Wirtschaft einzuräumen. Denn wenn weder Recht noch Ordnung herrscht, lässt sich bekanntlich weder gut wirtschaften noch Politik machen. Zwar kam es täglich zu einer Vielzahl an Gerichtsverhandlungen. In Gefahr befand sich unser Rechtsstaat aber nie. So wurden hier nur kleine Bagatellenverfahren geschlichtet.
Weil diese Rahmenbedingungen gegeben waren, musste aber das Parlament umso mehr Druck stand halten. Mehrmals deuteten sich Demonstrationen an gegen die vom Parlament beschlossenen Steuer- und Diätenerhöhungen der Politik. Als sich die Situation zuspitzte, entschärfte das Parlament die Situation aber jedes Mal mit einem Reformpaket.
Der Großteil unserer Schüler verwirklichte sich unternehmerisch.
Branchenübergreifend wurden Betriebe vom eigenen Restaurant bis hin zur Galerie gegründet. Vor allem der Gastronomiesektor boomte. Lebensmittel und Verbrauchsmaterialen konnten Betriebe in einem internen, zentralen Warenlager mit der Hauswährung kaufen oder über das Zollamt selbst einführen. Unser Staat erfreute sich in den wenigen Tagen, trotz des meist schlechten Wetters über hunderte Besucher. Jedem einzelnen stellten wir ein Visum aus. Jeder Einzelne erhielt eine Identifikations/Kontonummer, mit der er alle nötigen Transaktionen tätigen konnte.
Wir erlebten während diesen wenigen Tagen ein völlig anderes „Lernen“ , als wir es bisher gewohnt waren. In der direkten und praktischen Konfrontation mit speziellen Aufgaben konnte man bei vielen Schülern eine Begeisterung erleben, die der tägliche Unterricht nur selten hervorruft. Ganz nach Heraklit, der schon vor 2500 Jahren erkannte, dass Lernen sich eben nicht nur um das „Füllen von Fässern“ dreht, sondern vielmehr darum, „Flammen zu entzünden“.
Christian Stärk