Individueller Schüleraustausch

Niklas Bittner: Mein Leben als Gastschüler in Belleville, Kanada

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Ein Jahr im Ausland sein!
Weit weg von Freunden, Familie und Bekannten.
Weit weg von allem, was ich kenne, was ich mein Zuhause nenne.

Jeder, mit dem ich sprach, wünschte mir Glück, und riet mir auf keinen Fall einen Rückzieher zu machen. Und nun bin ich seit mehr als 3 Monaten hier in Kanada. Ich lebe zusammen mit meiner host mum Helen, meiner ein Jahr jüngeren host sister Emily und meinem chinesischen Gastbruder Tim in einem alten Haus mitten in der Stadt. Alle sind so absolut freundlich.

Wenn mich Menschen fragen, „Ja wie ist denn Kanada so?“, so antworte ich stets darauf: „Groß, sehr groß!“

Einige Beispiele: Wenn man sich eine Straße anschaut, so ist diese eigentlich immer 4-spurig, und wenn kein Mittelstrich durchgezogen ist, können immer noch 2 Autos an der selben Stelle gegenüber parken, ohne den durchfahrenden Verkehr zu behindern. Daneben folgt dann ein 1 Meter breiter Streifen Wiese, gefolgt von einem Fußweg. Danach kommen die Gärten vor den Häusern, mindestens 3 Meter breit, bevor diese selbst beginnen. Obwohl hier, wie es scheint, alle Verkehrsmittel theoretisch benutzt werden können, fahre ich nur ungern Fahrrad. Denn den Autofahrern, die in meinen Augen katastrophal fahren – den 2. Gang benutzen sie für alle Geschwindigkeiten, falls das Auto kein Automatikgetriebe besitzt – sind die Fahrradfahrer egal. Daher halte ich mich auch nur bedingt an die Verkehrsregeln.

Auch sind die Kanadier ziemlich faul, womit ich sagen will, dass sie das Auto ständig benutzen. Selbst wenn sie nur von einem Teil der Mall zur anderen müssen, benutzen sie es, obwohl sie zu Fuß viel schneller wären. So gibt es auch gewaltige Parkplatzwüsten oder 7-spurige Strassen (ich lebe in einer Stadt mit 50.000 Einwohnern). Ein bisschen merkwürdig kommt es mir schon vor, wenn ich von der Mall (mit den ultrabreiten Straßen) zurück zur Downtown fahre, wo mein Haus steht, wo es tatsächlich nur eine Fahrbahn in jeder Richtung gibt. Daran sieht man, was den Kanadiern dann wirklich wichtig ist.

Der Straßenverkehr in Kanada ist also absolut gewöhnungsbedürftig, die Kanadier hingegen im Allgemeinen aber sehr, sehr freundlich, nett, hilfsbereit etc. Sie unterscheiden sich nicht so sehr von uns Deutschen, sie sind wie du und ich … leben wie du und ich …nur eben auf der anderen Seite der Welt. Ich finde, dass ich es hier viel leichter habe, aufgenommen zu werden, und obwohl ich einen sehr starken Akzent besitze, stört das die Kanadier nur wenig – im Gegenteil, solche Leute sind beliebt.

Dass viele ‚Internationals‘, d.h. Austauschschüler wie ich nach Kanada wollen, sieht man auch an unserer Fülle. Es gibt mehr als 150 Internationals, die meisten sind Chinesen. Kurz danach folgen aber schon die Deutschen. Alleine an meiner Schule gibt es 8. Es wäre manchmal besser, wenn es nicht so viele wären, denn wir reden dann doch meistens Deutsch miteinander.

Da ich eben schon meine Schule erwähnte, sage ich vielleicht ein paar Worte mehr dazu. Meine Schule hat das größte Gebiet in ganz Nordamerika und umfasst ca. 81ha. Sie ist in jeder Hinsicht besonders. So ist sie nicht in Belleville, sondern ich muss den Bus benutzen, um sie zu besuchen. Sie liegt nämlich direkt am Highway, weit weg von meiner Heimatstadt Belleville. Neben einer großen Anzahl verschiedener Kurse, gibt es ein sehr breit gefächertes Kursangebot. Es gibt hier einen eigenen Wald, es finden regelmäßig Assemblies (Versammlungen) mit der ganzen Schule statt, so war z.B. einmal ein Goldmedaillengewinner im Rudern von den olympischen Spielen von Peking da.

Direkt neben der Schule liegt die größte kanadische Airbase, so dass regelmäßig Flugzeuge zu beobachten sind, welche sich nur etwa 100m vom Boden entfernt in der Luft befinden.

Dass es in der ganzen Schule kostenloses Wlan gibt, man Handys und Laptops im Unterricht benutzen kann und es normal ist, ohne Rucksack herumzulaufen – ist für uns kaum zu glauben.

Dass es eine eigene Stunde (pro Tag) gibt, in der ich meine Aufgaben machen kann/sollte, wäre in Deutschland kaum durchsetzbar.

Vor allem unterscheidet sich die Schule durch die häufigen Aktionen, welche den ’school spirit‘ (den Gemeinschaftsgeist) fördern sollen. So gibt es im Moment eine Art Fangspiel, in der jeder jeden anderen fangen soll.

Insgesamt habe ich nur 4 Fächer, welche sich täglich wiederholen (was normal ist). Vor Beginn meiner ersten Stunde, Sport, wird die Hymne gespielt. Danach folgen English, Mathe, Lunch, MSIP (Hausaufgabenhilfe) und Accounting (Buchhaltung). Ich finde, dass die kanadischen Schüler insgesamt ein Jahr langsamer sind als die deutschen.

Dennoch würde ich sie nicht als faul bezeichnen. So hat z. B. jeder in der Regel einen Job. Die meisten bei einem Schnellrestaurant wie McDonald’s, wovon es hier eine Menge gibt.

Wovon ich übrigens abraten würde, ist zu sagen, dass die USA ein tolles Land sind, denn in dieser Hinsicht sind die Kanadier sehr patriotisch.

Ich hoffe, ich konnte Euch einen kleinen Einblick in das Leben in Kanada geben. Ich musste den ganzen Text auf einer amerikanischen Tastatur tippen!!!

 

Niklas Bittner
(z.Zt. Gastschüler in Belleville, Kanada)